Achim Reichel & Band am 19. März 2024 im Theater Gütersloh

30. September 2023
Achim Reichel & Band - Foto: Hinrich Franck

Anlässlich seines 80. Geburtstages sind 15 Termine auf Deutschlands Bühnen geplant. Am Dienstag, 19. März 2024, um 20.00 Uhr, tritt Achim Reichel im Theater Gütersloh auf. Tickets sind im ServiceCenter der Gütersloh Marketing GmbH sowie im Webshop des Theaters erhältlich.

Es grenzt an ein Wunder: Drei Jahrzehnte nachdem Achim Reichel mit seinem Megahit „Aloha Heja He“ in Deutschland Goldstatus erreichen konnte, wurde der Mitsing-Klassiker ausgerechnet in China zum viralen Hit. Ende 2021 wurde der Titel zum ersten deutschsprachigen Nummer 1 Hit in China und machte den Hamburger Musiker zu einem chinesischen TikTok-Phänomen. Doch kein Glück ist ohne Schattenseite. Auch die Corona-Pandemie traf den sympathischen Songwriter schwer und so musste u. a. die Wiederholung seiner 2019 umjubelten „Abschiedstournee“ abgesagt werden. In der Zwischenzeit entwickelte sich „Aloha Heja He“ zum Megahit und mutierte zu seinem am meisten gecoverten Song. Schon bald wird das Stück bei den internationalen Streamingdiensten die Milliarden Marke knacken – und das dreißig Jahre nach Veröffentlichung!   

Der Vater der Deutschen Rockmusik wird im Januar 2024 seinen 80. Geburtstag feiern und kann auf ein Lebenswerk zurückblicken, wie es in seiner innovativen Vielseitigkeit hierzulande kein zweites Mal zu finden ist. Er veröffentlicht zu diesem Anlass eine Live-Doppel CD mit dem von Bläsern geprägten Tourrepertoire als auch eine Single mit seinem Remake des Hildegard Knef Klassikers „Aber schön war es doch“. Um all das gebührend zu zelebrieren, geht es dann im März 2024 samt Band auf große „Schön war es doch“-Tour mit fünfzehn Terminen quer durch Deutschland!  

Achim Reichel wird auf dieser Tour einen Querschnitt seiner einzigartigen Kreativität präsentieren. Ob als „Godfather des Shanty-Rocks“, über Vertonungen deutscher Dichter-Balladen, Volkslied-Erneuerungen bis hin zu einer Vielzahl selbst verfasster Pophits, die ihm das Attribut „Kolumbus der Rockmusik“ (SZ) einbrachten – in 60 Jahren Karriere wusste Achim Reichel stets immer wieder zu überraschen. So ließ er sein Avantgarde-Projekt „Die Grüne Reise“, welches 1971 zur seligen Krautrockzeit als A.R. & Machines veröffentlicht wurde, 2017 wieder auferstehen.   

So verwundert es also nicht, dass er seiner 2020 veröffentlichten Autobiografie den Titel „Ich hab das Paradies gesehen“ gab und damit sogleich in die Bestenlisten einzog. Fragt man Achim Reichel, wann er denn gedenkt sich zurückzuziehen, dann gibt es nur eine Antwort von ihm zu hören: „Ich bin für die Musik geboren worden, anders ist es nicht zu erklären, warum mir die Freude daran noch immer nicht vergangen ist. Meine Fans wissen das, wofür ich große Dankbarkeit verspüre“.  

Tickets zu dem Konzert sind ab sofort im ServiceCenter der Gütersloh Marketing GmbH sowie im Webshop des Theaters unter theater-gt.de erhältlich.

   

Biografie  

Er wird gern „Ur-Vater des deutschen Rock“ genannt. Dabei hat sich Achim Reichel diesen Titel nicht ausgesucht. Er wurde ihm von Kritiker*innen verliehen, zum Beispiel von denen der Nordwest Zeitung. Mit gutem Grund: Als andere große deutsche Rockmusiker anfingen Klubs und Konzertbühnen zu erobern, hatte Reichel bereits seine erste Karriere hinter sich. Als Frontmann der Hamburger Rattles spielte er zwischen 1960 und 1966, zu Zeiten des legendären Star-Club, an die 30 Singles ein, die Hamburger Jungs tourten schon 1963 zusammen mit den damals noch weniger bekannten Rolling Stones durch England und begleiteten die weltberühmten Beatles 1966 auf deren einziger Deutschland-Tournee. Nach seiner Einberufung zur Bundeswehr folgten dann die Hits mit Wonderland.  

Achim Reichel war ein Rebell, ein 68er und Aufbegehrender, aber auf seine ganz eigene Art. „Politisches Lied muss nicht immer Parolen-Singen bedeuten“, sagt er, „auch der Sound einer Musik beinhaltet eine Haltung, bei mir darf der Sound auch unangepasst daherkommen“. Wie sehr, das bewies er, als er 1971 erstmals mit elektronischen und psychedelischen Klängen experimentierte und sich mit A. R. & Machines auf eine „Grüne Reise“ begab, die von den Hippies erst viel später entdeckt wurde. Er war wieder mal seiner Zeit voraus: „Die Musik war wirklich innovativ, sie kam nur viel zu früh und im falschen Land“. Aber sie setzte Trends, von denen Bands wie Kraftwerk oder Tangerine Dream später profitierten und ihn über 45 Jahre später in den ausverkauften Großen Saal des neuen Hamburger Kulturtempels, die Elbphilharmonie, führte. Reichel will diese Zeit nicht missen, aber sie kommt ihm „manchmal vor wie das Leben vor dem Leben“, sagt er.   

Sein Leben danach begann in seiner ganz eigenen rockmusikalischen Zeitrechnung 1975 mit seinem ersten deutschsprachigen Album. Jetzt ist der Hamburger Jung 80 Jahre alt. Zeit für eine Bilanz und vielleicht auch eine Zäsur? Zumindest für einen Rückblick, für ein „Best Of“ dieser Schaffensperiode, die sich am besten nicht in Jahren, sondern in Alben bemessen lässt: 22 Alben verrockter Seemannslieder, deutscher Lyrik und Prosa, altgermanischer Balladen, Volkslieder und poetischer Alltagsgeschichten, typisch Achim. 37 Titel daraus, auf Vinyl und CD gepresst, präsentiert er als eine Art Werkschau dieses Musiker-Lebens, mit dem er zu sich selbst fand: Neu gemastert, und nicht nur im Studio eingespielt, denn Live-Aufnahmen seien „noch mal eine ganz andere Realität“. Die können seine Fans bald auch wieder in Deutschland erleben, wenn der Musiker im Frühjahr 2024 auf Tournee durch fünfzehn deutsche Städte geht.   

Dazu zählt zum Beispiel auch „Dat Shanty Alb’m“, das scheinbar nahezu zwangsläufig den Auftakt zu seiner Deutschrock-Karriere machte. Vater, Großvater, Onkel, alle waren sie zur See gefahren. Achim Reichel war auf St. Pauli am Hamburger Hafen groß geworden, von wo er den Schiffen beim Ein- und Auslaufen zuschaute und aus den Hafenkneipen den Liedern der Seeleute zuhörte. Und da fielen sie ihm auf, die Arbeitslieder der Docker und Seemänner, die nur darauf warteten, zeitgemäß zu Rhythm & Blues gewandelt zu werden. Der SPIEGEL jubelte damals, die Seemannslieder klängen „so natürlich und unprätentiös, als hätten sie schon immer diesen Beat“ gehabt und nannte sie „Klassiker“.  

Die Musik, die Achim Reichel infizierte und für die er Seefahrt Seefahrt sein ließ und lieber zur Gitarre griff, kam aus kleinen Clubs. Er wollte „keine Massenabfertigung“ und wehrte sich dagegen, nur Radio-angepassten Pop liefern zu müssen. Er wollte Stilrichtungen erproben, sich ausprobieren und vor allem nie in Schablonen pressen lassen. Reichel ist Zeit seiner Karriere ein Suchender. Er entdeckte und vertonte alte Lyriker der Seefahrerromantik wie Detlev von Liliencron, er entstaubte große deutsche Dichter und Prosaisten und erweckte sie zu neuem Leben. Fontanes „Herr von Ribbek auf Ribbeck im Havelland“ oder Goethes „Zauberlehrling“ kannten viele Schüler*innen nur, weil er sie ihnen rockig mundgerecht servierte. Für Reichel sind das „Wortmagier“, wie er sagt, denen er größten Respekt zollt und die er bewundert. Er schaffte es, lobte die Stuttgarter Zeitung, „unsere Dichter und Denker rocken zu lassen, ohne dabei plump populistisch oder angestrengt schöngeistig zu wirken“.   

Wer auf der Suche ist muss manchmal auch mutig sein. Reichel wagte sich an altdeutsche Volkslieder von Eichendorff oder Hoffmann von Fallersleben, ließ sich auch von Bedenkenträgern nicht irritieren. Was er sich in seinen dicken Rockschädel setzt, zieht er auch durch, konsequent und kompromisslos. Er ignorierte Trends und will sich nicht in angesagte Formate des Musikbusiness drücken lassen. „Format war und ist das Zauberwort der Zeit“, sagt Reichel, „aber wer sich dem ergibt, hat sich ergeben. Denn Schubladen sind für die Kunst tödlich“. Dass ausgerechnet sein „Spieler“, der mit 5.30 Minuten eigentlich ganz und gar nicht radio-tauglich war, ihn später in die ZDF-Hitparade brachte, wirkt fast schon wie ein Betriebsunfall.  

„Der Spieler“, getextet von Jörg Fauser, markiert den nächsten Abschnitt seines Weges, der nur konsequent war: Die Zusammenarbeit mit neuen, jungen deutschen Dichtern wie Kiev Stingl, Peter Paul Zahl und vor allem Fauser, der zu einem Freund wurde und bei einem Autounfall viel zu früh starb. Fauser und Reichel waren sich besonders nah, wie Brüder im Geiste. Bei dem fast gleichaltrigen Underground-Autor konnte er sein „Temperament und Naturell in den Texten wiederfinden“, sagt er.   

Der spätere Kultsong vom „Boxer Kutte“, den Fauser irgendwo im wahren Berliner Leben tatsächlich aufgetan hatte, war so etwas wie eine nächste Zäsur. Als sie an der Strophe „Boxer gehen in die Knie“ über der nächsten Liedzeile grübelten und Achim die Zeile „blaue Augen zahlen drauf“ einfiel, sagte Fauser zu ihm, als hätte er sein Schicksal vorausgeahnt: Jetzt bist du soweit allein zu gehen. „Jörg Fauser hat mich als Lyriker das Laufen gelehrt“, sagt Achim Reichel heute rückblickend. Nicht nur dafür ist er ihm dankbar.   

Mit „Melancholie und Sturmflut“ schrieb Reichel sein erfolgreichstes Album, inklusive der Kultsongs „Auf der Rolltreppe“, „Kuddel-Daddel-Du“ und vor allem „Aloha Heja He“ – der zuvor zehn Jahre lang vergessen in einem Umzugskarton darauf gewartet hatte, wiederentdeckt zu werden. Es folgten Balladen und poetische Alltagsgeschichten, wie sie nur das echte Leben schreiben kann. Und immer wieder diese wortgewaltigen Prosa-Erzählungen und Mythen großer Literaten von Heine, Storm und Mörike bis Goethe oder Ina Seidel wie bei der „Regenballade“ oder „Wilder Wassermann“. 

Das Goethe-Institut schickte Achim Reichel 1986, noch zusammen mit Jörg Fauser,

deshalb als Kulturbotschafter der besonderen Art nach Ost-Asien. Die Süddeutsche Zeitung taufte ihn „Kolumbus der Rockmusik“, ein Entdecker auf dem Weg zu immer neuen Ufern und Stilrichtungen. Achim Reichel selbst sagt: „Ich fühle mich wie für die Musik geboren, habe aber auch irre viel Glück gehabt und manchmal frage ich mich: Wo soll ich eigentlich meine Kerze aufstellen“.  

Ein Blick zurück als weitere Zäsur? Das war auch schon seine Tour als „Storyteller“ durch 100 Städte. Also jetzt das Ende von etwas Großem? Reichel wäre nicht der ewig unangepasste Musiker und Songwriter, wenn er es sich mit der Antwort auf diese Frage einfach machen würde. „Wenn man eine gewisse Müdigkeit spürt, altersbedingt, muss man wieder Hunger kriegen“, sagt er. Aber der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. Also vielleicht auf einer Tournee?   

(Manfred Ertel, Autor)  

Achim Reichel & Band – Foto: Hinrich Franck