Weiter hohe Nachfrage: 3.637 Mal Hilfe bei Verbraucherproblemen.
• Energiepreiskrise wirkt auch 2024 nach
• Von Abo-Fallen bis Zwangs-Anschluss für Kabel-TV: Maschen der Anbieter für Betroffene oft schwer zu durchschauen
• Leitung Julian Lambracht: „Vorbeugender Rat und Aufklärung werden immer wichtiger“
Mit 3.637 Anliegen haben sich die Menschen aus dem Kreis Gütersloh im vergangenen Jahr an die Verbraucherzentrale gewendet. „Ob ungewollte Vertragsabschlüsse, Probleme im Onlinehandel oder entgangene Urlaubsfreuden nach der FTI-Insolvenz: Anfragen erreichten uns aus allen Bevölkerungsgruppen und zur ganzen Themenpalette des Verbraucheralltags“, berichtet Julian Lambracht, Leitung der Beratungsstelle. „Besonders viel Beratungsbedarf bestand zudem weiterhin rund um das Thema Energie mit seinen vielen rechtlichen und wirtschaftlichen Facetten.“
Manchmal sind es teure Ärgernisse wie kostenpflichtige Retouren nach Übersee oder ungewollt abgeschlossene Abonnements, häufig aber auch existenzbedrohende Probleme wie drohender Verlust des Krankenversicherungsschutzes, verweigerter Zugriff auf Pfändungsschutzkonten oder Energiesperren, die die Menschen in die Beratungsstelle in der Blessenstätte in Gütersloh führen. „Wir unterstützen individuell, um Verbraucherrechte durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwenden. Falls nötig legen wir Widersprüche ein oder vereinbaren Ratenzahlungen. Damit tragen wir auch zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Betroffenen bei und entlasten sie von oftmals großem psychischen Druck“, erklärt Lambracht. Besonders in Erinnerung ist ihm der Fall einer Verbraucherin, welche sich kurz vor der Entbindung ihres Kindes mit einer Stromsperre konfrontiert sah. Durch die schnelle Hilfe der Beratungsstelle konnte diese, auch dank guter Vernetzung und Zusammenarbeit im lokalen Hilfenetz, schnell wieder aufgehoben werden.
Glasfaser: Aufdringlicher Vertrieb
Zum Weltverbrauchertag 2024 rückte die Beratungsstelle das Thema Glasfaser-Ausbau in den Fokus. Da der Ausbau in NRW nicht zentral erfolgt, sondern größtenteils dem Markt überlassen bleibt, zeigt sich auch im Kreis Gütersloh ein regelrechter Ausbaukampf unterschiedlicher Anbieter, der nicht selten an den Haustüren der Verbraucher:innen ausgetragen wird. Dementsprechend erreichen die Beratungsstelle immer wieder Beschwerden. „Wir haben Gespräche mit den örtlichen Breitbandbeauftragten, Netzbetreibern sowie ausbauenden Unternehmen geführt und auch schriftlich nachgefragt: Welche Netzbetreiber bauen wo aus? Wird der Ausbau öffentlich gefördert? Können die Leitungen auch von anderen Anbietern genutzt werden? Was kostet der Anschluss Verbraucher:innen jetzt und zu einem späteren Zeitpunkt?“, berichtet Lambracht. Der wichtigste Rat für Betroffene: Keinen Vertrag unter Druck abschließen und sich zunächst schriftliche Angebote geben lassen, um sie vergleichen zu können.
Anhaltend hoher Beratungsbedarf zu Energiefragen
Sind die Energierechnungen für das Lieferjahr 2023 korrekt? Sind die „Energiepreisbremsen“ für Strom, Gas und Fernwärme richtig berücksichtigt worden? Ist die Erhöhung der Abschlagszahlung meines Energieversorgers rechtmäßig? Habe ich wirklich einen neuen Liefervertrag geschlossen oder ist mir während eines Telefonats oder an der Haustür etwas untergeschoben worden? Ein großer Anteil der Anfragen entfiel auch 2024 auf den Bereich Energie. Besonders negativ fielen dabei die Anbieter primastrom, voxenergie und nowenergy auf. „Entsprechend groß war auch der Andrang Ratsuchender in der Beratungsstelle, um dort Hilfe bei Rechnungsfragen, Rückforderungen oder Abwehr untergeschobener Verträge zu erhalten“, sagt Julian Lambracht.
Irritierende Schreiben, Unsicherheit beim Kabel-TV und FTI-Insolvenz
Weiterhin sorgten zudem Schreiben des Düsseldorfer Telekommunikationsanbieters 1N Telecom für Irritation. „Dieser forderte Verbraucher:innen unter einem vermeintlichen Anbieterwechselauftrag zur Rufnummer-Mitnahme auf. Damit suggerierte der Anbieter, dass bereits Verträge abgeschlossen wurden, obwohl die Betroffenen erklärten, zuvor keinen Vertrag abgeschossen zu haben“, erklärt der Beratungsstelleneiter. Manche Ratsuchende wurden auch mit Schadensersatzforderungen konfrontiert. „Wir haben Betroffenen mit Informationen über Widerrufsmöglichkeiten und Musterbriefen geholfen.“
Weiteres Ärgernis des Jahres 2024: Trotz Abschaffung des so genannten Nebenkostenprivilegs versuchten eine NRW-weit vertretene große Wohnungsgesellschaft und ein Telekommunikationsanbieter, Mieter:innen ohne wirksame Zustimmung in Kabel-TV-Verträgen zu halten. Auch hierzu gab es viele Nachfragen und Beschwerden. Und im Juni brachte die Insolvenz des Reiseanbieters FTI Touristik GmbH für Betroffene eine Menge Fragen mit sich – etwa ob und wie sie Geld zurückbekommen.
Präventionsarbeit fördert kritisches Verbraucherbewusstsein
Minderwertige oder falsch beziehungsweise gar nicht gelieferte Waren, unseriöse Vertragsbedingungen oder überteuerte Online-Dienste: Gerade im Internet gibt es für Verbraucher:innen viele Fallstricke. „Die Maschen der Anbieter sind oft schwer zu durchschauen. Im Betrugsfall ist dann schnelle Hilfe gefragt“, so Lambracht. Zugleich werde aber präventive Verbraucherinformation immer wichtiger. „Durch Bildungsarbeit, unterschiedliche Informationsformate sowie interaktive Tools im Web fördern wir kritisches Bewusstsein und wirken Desinformation entgegen. Damit stärken wir die Menschen in turbulenten Zeiten.“
Julian Lambracht, Leitung der Beratungsstelle, informierte über die Arbeitsschwerpunkte 2024 der Verbraucherzentrale im Kreis Gütersloh.
Foto: Verbraucherzentrale NRW